Erfolgreich verhandeln heißt bewusst mit Widerständen umgehen

In Verhandlungssituationen entstehen Widerstände, Gegenpositionen oder Interessenskonflikte der Verhandlungspartner. Das ist normal, denn sonst würden wir den Aufwand einer Verhandlung gar nicht benötigen. Der Umgang mit diesen Widerständen führt idealerweise zu einem Konsens, meist aber zu Kompromissen. Bei „Verhärtungen“ führen Verhandlungen aber auch zu Distanz oder nachhaltigen Konflikten – und somit zum Scheitern der Verhandlungen.

Widerstände zu reflektieren, die dahinterliegenden Interessen zu erkennen, ursächlichen Beweggründe zu „bedienen“, ermöglicht Lösungen zu finden. Wenn z.B. eine geäußerte Forderung eines Verhandlungspartners nicht erfüllt werden kann oder erfüllt werden will, dann könnte möglicherweise das dahinterliegende Motiv anderweitig bedient werden. Es lohnt sich also die Wahrnehmung zu „trainieren“ und auch mal die Perspektive des Verhandlungspartners einzunehmen.
In der Vertriebspsychologie unterscheiden wir verschiedene Widerstandsarten, die unterschiedliche Reaktionen erfordern, um Verhandlungsziele zu erreichen.

Die Reihenfolge dieser Widerstandsarten beginnt sachlich und hat einen aufsteigenden Emotionsgrad:

1. Widerstände aus unterschiedlichem EIGENINTERESSE
Dieser Widerstand ist umso größer, je deutlicher die individuellen sachlichen Interessen der Verhandlungspartner beeinträchtigt werden, oder gegen diese Interessen agiert beziehungsweise argumentiert wird. Häufig wird mit körpersprachlichem Desinteresse (Distanz) sowie mit ausweichenden Gegenargumenten reagiert.
Hier empfiehlt sich die Positionen und deren Hintergründe zu erfragen und dann argumentativ auszugleichen.

2. Widerstände aus REAKTANZ
Die Widerstandsart Reaktanz beschreibt das Phänomen, dass Menschen bemüht sind, ihre Handlungs- und Entscheidungsfreiheit zu erhalten. Dieser Widerstand tritt auf, wenn zu viel Druck zu einer Entscheidung gemacht wird oder sich jemand stark manipuliert fühlt. Häufig wird körpersprachlich „dicht gemacht“, oder es wird argumentativ „Gegendruck“ ausgeübt. Dominante Persönlichkeiten werden dabei auch mal aggressiv.
Auch hier helfen meist geeignete Fragen oder „Ich-Botschaften“, Distanzen oder Missverständnisse aufzulösen.

3. Widerstände aus ANGST
Ängste entstehen meist, wenn uns wichtige Informationen fehlen oder wir mit Informationen überhäuft werden. Diese Unsicherheiten erzeugen Reaktionen wie Labilität, Erstarren oder Aggressivität. Angst hat viele „Masken“ und oft entstehen Überreaktionen oder Kompensationsversuche. Ein unsicherer Verhandlungspartner spricht schon mal eine Drohung aus, weil er seine innere Unsicherheit nicht zeigen will.
Wenn wir reflektieren, was den Verhandlungspartner verunsichern könnte, können wir diese Bedenken besser ansprechen oder ausräumen.

4. Widerstände aus ÄRGER und RACHE
Diese Widerstandsform ist seltener, aber gefährlich. Sie neigt zur nachhaltigen Verhärtung, bis sie nicht mehr aufgelöst werden kann. Meist sind starke Emotionen, Enttäuschung und Wut im Spiel. Deswegen ist „Früherkennung“ und zeitnahe Entstörung sehr wichtig. Das Verhalten ist meist impulsiv und unkontrolliert. Der „Dampf muss aus dem Kessel raus“.
Kennen wir die Ursachen, dann zunächst konfliktarm thematisieren. Wenn die Emotionen raus sind, ist die Chance einer sachlichen Lösung wahrscheinlicher. Bei Unklarheit, die Ursachen ohne „Schuldzuweisungen“ hinterfragen, bevor über Lösungsansätze gesprochen wird.

5. Widerstände aus POLITISCHER MOTIVATION
Dieser Widerstand ähnelt im „Emotionsgrad“ dem Widerstand aus Eigeninteresse. Ist jedoch beharrlicher und komplizierter, weil die Meinung durch mehrere Personen der „politischen Ebene“ definiert wird! Er richtet sich weniger gegen ein Vorgehen oder ein Angebot, sondern gegen Regeln oder Strategien „von Oben“ – und gegen die dafür verantwortlichen Personen! Häufig geht es um Macht und Einfluss.
Diese Widerstände können nur auf der Ebene aufgelöst werden, die die Politik bestimmt. Das sind häufig mehrere aufwendige und sensible Gespräche mit Entscheidern.

Souveräne und zielführende Verhaltensweisen im Umgang mit Widerständen:

  • Genau hinschauen und hinhören, Ruhe bewahren. Dem Gegenüber Aufmerksamkeit schenken.
  • Kommunizierte Widerstände auch als Chance verstehen, da sie oft Unsicherheit oder unbewusstes Interesse bedeuten.
  • Gelassen bleiben, die Äußerungen nicht persönlich nehmen.
  • Bei geringem „Emotionsgrad“ eher hinterfragen, um die Widerstandsart und die Beweggründe herauszufinden und zu verstehen. Um Einwände und Vorwände zu unterscheiden sowie um Argumentationsansätze zu erkennen.
  • Je höher der wahrnehmbare „Emotionsgrad“, desto mehr sollten Sie die Situation kurz ansprechen (Metakommunikation), dabei in klaren, ruhigen und freundlichen Worten die eigene Wahrnehmung darstellen (Ich-Botschaft ohne Schuldzuweisungen!) und auf gemeinsame Interessen und Ziele hinweisen.
    Aufmerksamkeit im Verhandlungsgespräch bedeutet mehr als nur zuhören. Es erfordert die volle Konzentration auf die Personen, die Interaktionen und den Prozess. Diese Fähigkeit der Reflexion und der bewussten Steuerung von Verhandlungsprozessen kann und sollte man trainieren, um Zeit und Geld zu sparen!